INTERVIEW

Fast 3 Jahre im «Choller» – ein Resümee

Vor knapp drei Jahren hat die Stiftung Eichholz ein neues Zuhause im Choller am Zuger Stadtrand bezogen. Peter Witschi, Co-Institutionsleiter, war intern verantwortlich für das gesamte Umzugsvorhaben. Wir haben uns mit ihm über den aktuellen Status Quo unterhalten und wie es sich jetzt anfühlt, nach drei Jahren im neuen Zuhause.


Peter, wann war genau der Umzug in die neue Liegenschaft hier am Choller in Zug?

Peter Witschi: Wir sind im Oktober 2021 umgezogen, also vor knapp 3 Jahren.


Zeit für ein Resümee. Wie fällt das aus bei Dir?

Wir sind sehr zufrieden und fühlen uns hier sehr wohl. Aus meiner Sicht war der Umzug in den Choller nach wie vor die richtige Entscheidung. Die grosszügigen Räumlichkeiten und die grösseren Zimmer inkl. eigener Nasszelle für die Dienstleistungsnutzenden sprechen für sich. Viele positive Rückmeldungen der Dienstleistungsnutzenden bestätigen uns, dass auch sie sich hier wohl fühlen und es für sie ein schönes Zuhause ist. Das ist für uns das Wichtigste, aber natürlich gibt es auch noch ein paar Altlasten.


Inwiefern?

Wir sind damals in ein etwa 38-jähriges Gebäude umgezogen und haben eine bestehende Liegenschaft umgebaut. Wie das so ist, zeigten sich viele Probleme und Missstände erst im Nachhinein. Gerade im Bereich der Sanitäranlagen kämpfen wir immer wieder mit komplexen Wasserschäden. So ist zum Beispiel zurzeit ein ganzes Zimmer eines Dienstleistungsnutzenden wegen eines Wasserschadens nicht bewohnbar.


Sind die Ziele, die Ihr mit dem Umzug verfolgt habt, erreicht worden?

Das kann ich bestätigen. Wir hatten anfangs schon Bedenken, was die neue Umgebung, die Nähe zur Strasse bzw. das Wohnen im Industriebereich angeht. Und das ist auch sicherlich anders als zuvor in einem Wohnquartier, aber die Wohnqualität an sich hat sich für jeden Einzelnen deutlich verbessert und die Anonymität ist besser gewährleistet. Zudem haben wir generell auch mehr Möglichkeiten.


In welchen Bereichen?

Alles ist wesentlich grösser, die allgemeinen Räume, das Atelier, die Aufenthaltsräume etc. Vorher haben wir sehr eng aufeinander gelebt und gearbeitet, und es gab gerade für unsere Dienstleistungsnutzenden wenig Raum zum Rückzug. Die Zimmer zum Beispiel waren 10-12 m2 gross und hatten keine Nasszelle. Das ist jetzt ganz anders. Wir merken auch, dass der Speisesaal und die neue Wohnnische mittlerweile intensiv genutzt werden, und das hat sicherlich auch mit der Grösse und Einrichtung zu tun. Und jetzt kommt noch der neue «SpielRuum» dazu.


Schlägt sich die neue Infrastruktur auch in den Anfragen nieder?

Das ist schwierig zu sagen. Wir haben generell zurzeit sehr viele Anfragen, aber wir erheben nicht, ob das aufgrund der neuen Infrastruktur passiert. Mein Gefühl sagt mir, dass da eher kein Zusammenhang besteht. Ich denke, dass dies auf die unterschiedlichen Wohnformen, die wir anbieten, oder auch gesellschaftliche Entwicklungen zurückzuführen ist. Und wir haben sicherlich auch keinen allzu schlechten Ruf (lacht).


Gibt es etwas, das Du vom alten Ort vermisst?

Der Garten, die ganze Aussenanlage, auch die Ruhe und die Beschaulichkeit eines Lebens mitten im Wohnquartier, das haben wir hier nicht. Es ist schon alles stärker frequentiert, hektischer aussen herum, die Strasse direkt vor dem Haus ist stark befahren, die Lage im Industriegebiet bietet weniger Ruhe, aber das ist jetzt so und wie oben erwähnt, hat dies nicht nur Nachteile.


Es war ja auch nicht ganz einfach, überhaupt etwas Neues, Adäquates zu finden?

Richtig. Aufgrund von vor allem nicht erfüllten Brandschutzauflagen haben wir lange nach einer neuen Lösung gesucht. Zuerst haben wir einen Neubau am alten Standort in Steinhausen geprüft und geplant. Dieser war aber schlussendlich finanziell nicht realisierbar und hätte zur Folge gehabt, zuerst in ein Provisorium zügeln zu müssen und nach 2 bis 3 Jahren wieder zurück. Zudem hätten wir für diese 2 bis 3 Jahre auch noch ein Provisorium finden müssen.


Wie seid Ihr auf die jetzige Lösung gestossen?

Die Information über das frei werdende Hotel haben wir vom Kanton Zug erhalten. Da wir die Information noch während der Planung des Neubaus erhalten haben, war diese Lösung von uns zunächst als Provisorium angedacht. Nach der ersten Besichtigung und der anschliessenden Absage des Neubauprojekts wurde uns aber schnell klar, dass das dies die Lösung für uns ist. Nicht zuletzt auch, weil wir schon so lange auf der Suche waren und uns klar war, dass wir das Optimale nicht finden werden im Kanton Zug. Es brauchte Kompromisse.


Es herrscht ein grosser Fachkräftemangel in der sozialen Branche. Hat die moderne Liegenschaft auch Auswirkungen darauf, dass Fachkräfte einfacher gefunden werden?

Das kann ich so nicht wirklich beantworten. Wir erhalten sicherlich nicht viele Bewerbungen auf unsere offenen Stellen, aber wir können alle Stellen immer sehr gut und auch zügig besetzen, was ja nicht unbedingt überall der Fall ist. Aber wie gesagt: Wir haben keinen schlechten Ruf, das spielt sicherlich auch eine Rolle neben den ganzen fachlichen Aspekten.
Aber klar ist, dass sich die konkreten Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeitenden mit dem Umzug auch verbessert haben.


Mit dem Umzug wurde auch das Angebot an verschiedenen Wohnformen ausgeweitet. Wie sind diesbezüglich die Erfahrungen?

Ich würde sagen, dass neben den Einzelzimmern, die wir ja weiterhin im Pensionssystem anbieten, gerade die Einzelstudios (mit Küche) und die 2er-WG sehr positiv aufgenommen werden. Die 5er-WGs sind hingegen nicht ganz so einfach zu besetzen.


Wegen der Anzahl der mitwohnenden Personen?

Ja, das ist für viele doch eine grosse Herausforderung, obwohl in der WG auch jeder sein eigenes Zimmer mit Nasszelle hat. Kommt dazu, dass sich die WGs im Hauptgebäude befinden und die Annehmlichkeiten des Pensionssystems sehr nahe sind.
Wenn wir nochmals planen könnten, würden wir heute sehr wahrscheinlich kleinere WGs realisieren. Andererseits muss man auch sagen, dass aus baulicher Sicht fast nicht anders geplant werden konnte.
Grundsätzlich haben sich die verschiedenen Angebote allerdings bewährt, auch wenn es anspruchsvoller geworden ist, alles adäquat zu besetzen. Gleichzeitig zeigen die verschiedenen Wohnangebote heute den Dienstleistungsnutzenden vermehrt einen Weg auf, selbständiger zu werden, Neues zu erlernen, Gelerntes zu reaktivieren, um dann vielleicht als nächsten Schritt in eine eigene Wohnung zu ziehen.


Du warst ja intern für den gesamten Umbau verantwortlich. Was sind Deine Erkenntnisse aus diesem Projekt?

Ich hatte weder privat noch beruflich schon mal die Verantwortung für einen Umbau. Von dem her war es eine unglaublich lehrreiche, aber auch anstrengende und intensive Zeit. Wie das bei einem Umbau ist, wurde vieles wurde natürlich erst im Nachhinein richtig klar, auch wenn wir explizit eine Bauherrenbegleitung hatten. Heute würde ich mit diesen Erkenntnissen dem ein oder anderen Aspekt doch viel mehr Aufmerksamkeit schenken.


Zum Beispiel?

Obschon wir diese nicht hatten, würde ich mir heute wesentlich mehr Zeit nehmen zum Aufnehmen des Gebäudes und der Gebäudesubstanz, gerade wenn es um einen Umbau geht. Das Gebäude war ja bis 31.12. besetzt und wir haben es am 5.1. übernommen. Da bis zum Schluss der Hotelbetrieb am Laufen war, hatten wir sehr wenig Zeit und im Voraus nicht viele Möglichkeiten, um überhaupt Sondierungsarbeiten durchzuführen. Und wir merken bis heute, dass einiges nicht ganz in dem Zustand ist, wie wir es erwartet oder gedacht haben.
Das Vorhaben hat mir aber auch gezeigt: Du kannst noch so viel planen und vorausdenken, vieles zeigt sich erst während des laufenden Betriebs und im Alltag. Und die Nutzung bei uns ist ja auch vielschichtig, es geht um das Wohnen, Arbeiten und Leben. Dazu kommen die unterschiedlichen Arbeitsinfrastrukturen, Küche, Atelier und die Arbeitsumgebungen für die Mitarbeitenden.


Hat das auch mit den Anforderungen zu tun, die vielleicht bzgl. Euer Nutzung als Institution höher sind als zum Beispiel bei einer privaten Nutzung?

Bis zu einem bestimmten Grad ist das sicher so. Aber es war ja zuvor ein Hotelbetrieb und wir sind davon ausgegangen, dass wir mehr übernehmen können, als dann tatsächlich möglich war.


Wo siehst Du die Möglichkeiten zu mehr Selbstbestimmung konkret durch das Haus?

Auf jeden Fall im Wohnen, durch die verschiedenen Wohnformen ­ – mit allem, was dazu gehört. Die Dienstleistungsnutzenden können z.B. jetzt die Wohnform intern wechseln, ohne die Institution wechseln zu müssen. Aber die Institution als Ganzes hat in den letzten Jahren auf allen Ebenen den Schritt in Richtung mehr Selbstbestimmung und Teilhabe der Dienstleistungsnutzenden gemacht. Und die neue Infrastruktur hat sicher ihren Teil dazu beigetragen bzw. überhaupt erst Verschiedenes möglich gemacht. Vorher war vieles bedingt durch die Infrastruktur gar nicht denkbar.


D.h. der Umzug war richtig und notwendig, aber selbst nach drei Jahren gilt es immer noch einzelne Aufgaben zu lösen?

So ist es. Aber die Freude an der neuen Liegenschaft überwiegt und es war – wie gesagt – absolut richtig, diesen Schritt zu gehen.

Peter, besten Dank für das Gespräch.