IM GESPRÄCH MIT VRONI STRAUB

«Ich hatte einen sehr guten Start».

Frau Straub, vor Ihrer politischen Laufbahn waren Sie als Hebamme tätig. Was hat Sie in die Politik gezogen?

Vroni Straub-Müller: Es gibt ja diesen Ausdruck ‚Wie das Leben eben manchmal so spielt‘. Und bei mir war das ziemlich genau so. Ich habe 2005 gleichzeitig für den Grossen Gemeinderat und den Kantonsrat kandidiert, eigentlich ohne grössere persönliche Ambitionen. Und ich bin zu meiner persönlichen Überraschung gleich in beide Räte gewählt worden. 2012 habe ich mich dann für den Zuger Stadtrat bewor-ben, und auch das hat sofort geklappt. Mit der Übernahme dieser Funktion musste ich dann leider von meinem Beruf Abschied nehmen. Aber ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich auch in meiner Aufgabe als Stadträtin manchmal als Hebamme gefühlt habe, wenn es darum ging, geduldig zu sein, politische Entscheidungen oder auch neue Ideen zu gebären.

Wenn Sie zurückblicken auf Ihre politische Laufbahn: Gibt es etwas, das sich durch alle Ihre Funktionen hindurchzieht?

Ich habe in meiner Arbeit und bei all den Entscheidungen immer versucht, das Wohl der Menschen in den Vordergrund zu stellen; und mich dabei immer gefragt, ob das, was wir machen und entscheiden, auch zielführend ist und die Menschen, Kinder oder Jugendlichen stärkt und weiterbringt.

Aktuell sind Sie noch im Kantonsrat tätig?

Ja, nach 12 Jahren als Stadträtin wurde es 2023 für mich Zeit zurückzutreten. Jetzt bin ich noch im Kantonsrat tätig, aber das gibt mir insgesamt wieder mehr Freiheiten.

Die Bewohnerinnen und Bewohner selbst haben mich überrascht. Und zwar mit ihrem Interesse an mir. Ich bin eher davon ausgegangen, dass ihnen das mehr oder weniger egal ist, wer Stiftungsratspräsidentin ist bzw. wer ich bin. Doch das Gegenteil ist der Fall.


Das bedeutet: Sie haben wieder mehr Zeit und nutzen diese u.a. auch für die Aufgaben einer Stiftungsrätin?

Genau. Ich bin zurzeit in drei Organisationen tätig, u.a. in der Stiftung Eichholz.

Wie ist der Kontakt zum Eichholz entstanden, gab es eine Anfrage?

Theres Arnet-Vanoni hat mich kontaktiert und angefragt, ob ich nicht Interesse an dieser Aufgabe hätte. Ich habe mir dann die Stiftung genauer angeschaut und für mich sofort gespürt, dass ich mich sehr gerne für das Eichholz und vor allem für diese Menschen hier einsetzen möchte.

Kann man sagen, die Stiftung hat Sie in puncto Zweck und Auftrag überzeugt?

Absolut. Aber auch die Mitarbeitenden, die Institutionsleitung und schlussendlich auch der Kontakt zu den Bewohnenden haben bei dieser Entscheidungsfindung eine Rolle gespielt. Und natürlich die Zusammenarbeit im Stiftungsrat, in dem ich ja bereits seit einiger Zeit mitgewirkt habe, bevor ich dieses Amt übernommen habe.

Welches Bild hatten Sie vom Eichholz, bevor Sie angefragt worden sind?

Ehrlich gesagt, habe ich das Eichholz in meinen Gedanken immer noch in Steinhausen gesehen. Ich kannte die Organisation vom Namen her, aber sonst wusste ich nicht sehr viel. Ich bin in Zug aufgewachsen, von dem her kenne ich natürlich die Geschichte und kann mich u.a. noch an das damalige Männerheim erinnern.

Was waren Ihre ersten Eindrücke von der Institution?

Bei meinem ersten Besuch im Eichholz habe ich für mich gedacht: Oh, das ist aber kein geeigneter Ort, so am Rande der Stadt. Doch diesen Eindruck musste ich für mich mit der Zeit korrigieren. Heute würde ich den Standort geradezu als optimal bewerten.

Sehr beeindruckt war ich davon, wie differenziert und kompetent die Mitarbeitenden die Dienstleistungsnutzenden begleiten, fördern und unterstützen –  und wie kompetent die Institution geführt wird.


Was hat zu diesem Wandel geführt?

Der Ort bietet den Bewohnenden einerseits einen gewissen Raum des Rückzugs – und das in der Nähe vom See, dem Lorzequartier und der Natur. Andererseits ist der Anschluss an Infrastruktur und öV gewährleistet. Und wenn ich dann noch an die prekäre Wohnsituation im Kanton denke, bin ich noch überzeugter von dieser Lösung.

Gab es etwas, dass Sie im Eichholz besonders beeindruckt hat?

Sehr beeindruckt war ich davon, wie differenziert und kompetent die Mitarbeitenden die Dienstleistungsnutzenden begleiten, fördern und unterstützen – und wie kompetent auch die Institution geführt wird. Da spielen sicherlich auch das breite Fachwissen und das gemeinsame Wirken der Co-Leitung mit rein, was aus meiner Sicht im Eichholz sehr gut funktioniert. Aber auch die Zusammenarbeit mit den aussenstehenden Partnern, Ärzten, Beiständen, dem Kanton, das läuft aus meiner Sicht alles sehr gut. Bezüglich dieser Themen kann ich also ruhig schlafen (lacht).

Hat Sie etwas überrascht?

Die Bewohnerinnen und Bewohner selbst haben mich überrascht. Und zwar mit ihrem Interesse an mir. Ich bin eher davon ausgegangen, dass ihnen das mehr oder weniger egal ist, wer Stiftungsratspräsidentin ist bzw. wer ich bin. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Gespräche mit ihnen waren sehr spannend und alle haben grosses Interesse gezeigt. Das hat mir auch nochmals verdeutlicht, wie wichtig der direkte, persönliche Kontakt auch seitens des Stiftungsrates mit den Bewohnenden und natürlich auch mit den Mitarbeitenden ist. Diesen Kontakt möchte ich gerne auch weiterhin pflegen.

Gibt es Ihrerseits schon Ideen, die Sie gerne umsetzen möchten?

Wir hatten gerade einen Workshop und daraus werden wir die Strategie und die Massnahmen für die nächsten Jahre ableiten. Und diesbezüglich sehe ich es als meine Aufgabe an, den eingeschlagenen Weg auch konsequent zu verfolgen und zu schauen, dass wir bei der Umsetzung dranbleiben.
Dann gibt es im Haus ein paar Sachen, zum Beispiel der Eingangsbereich, den finde ich wirklich nicht sehr einladend. Das Thema ist allerdings im Haus nicht neu und wir werden gemeinsam versuchen, hier möglichst schnell etwas zu verbessern.

Allerdings möchte ich auch betonen, dass die operative Verantwortung bei der Institutionsleitung liegt; ich verstehe meine Aufgabe auf dieser Ebene eher als Gesprächspartnerin, wenn mich die Leitungspersonen brauchen oder meine Unterstützung benötigen.

Sie haben langjährige Erfahrung in der Politik. Jetzt stehen Sie quasi auf der anderen Seite. Ist das ein Pluspunkt?

Ich denke, dass ist sogar ein sehr grosser Pluspunkt. Ich kenne die Leute, die Abläufe und die politischen Prozesse, weiss wie die Verwaltung funktioniert. Und auch umgekehrt: Die Verantwortlichen kennen mich und meine Arbeit. Das hilft schon sehr. Ich sehe mich hier auch als Brückenbauerin, gerade in der Zusammenarbeit mit dem Kanton. Denn ich bin davon überzeugt, dass wir gemeinsam sehr viel erreichen können, und das geht vor allem in einer
gut funktionierenden Partnerschaft.

Wenn Sie 3 bis 5 Jahre in die Zukunft schauen, welches Bild würden Sie vom Eichholz zeichnen?

Ganz praktisch sehe ich dann wirklich einen neuen Eingangsbereich (lacht). Zudem sehe ich ein Atelier mit sehr viel Leben und viele Menschen darin arbeiten – mit und ohne Lohn. Und ich sehe zufriedene Gesichter, bei den Mitarbeitenden und der Institutionsleitung. Wir können zudem weiterhin alle Stellen kompetent besetzen, trotz des Fachkräftemangels, und die 47 Bewohnenden leben und wohnen sehr gerne hier im Eichholz.

Frau Straub-Müller, herzlichen Dank für das offene Gespräch.